Sie haben es schon wieder getan: Waldrappe auf dem Flugplatz!
Darauf kann Rickenbach stolz sein - wir sind Teil von dieser ungeheuren neuen Geschichte: Am Wochenende wurden 36 Waldrappe über Rickenbach nach Andalusien ins Winterquartier geführt. Dies ist schon das 2. mal (BZ, 19.08.2024, S. 17). Das bedeutet das diese überaus seltenen Vögel an diese neue Reiseroute gewöhnt werden. Das ist bestimmt auch ein Einspruchs-Grund für Windkraftwerke um den Hüttener Flugplatz, ich überprüfe das gerade. Anbei nochmals der alte, umfassende Bericht. Viel Spass beim Lesen. Ralf
Waldrappe (Geronticus eremita) zählen zu den Ibisvögeln und gehören zu den seltensten Vogelarten der Welt. Sie waren einst in Mitteleuropa weit verbreitet. Doch bereits im 17. Jahrhundert wurden sie ausgerottet. Danach geriet ihre Existenz in Vergessenheit. Man hielt die überlieferten Zeichnungen für Darstellungen von Fabelwesen (Anmerkung: da sie sehr exotisch wirken). Kennzeichnend für Waldrappe ist ihr metallisch glänzendes schwarzes Federkleid, ihr unbefiedertes Gesicht und der sichelförmige Schnabel. Die in Europa lebenden Waldrappe waren Zugvögel, die ihre Brutgebiete im Herbst verließen, um im Mittelmeerraum zu überwintern. In Europa gibt es jedoch seit einigen hundert Jahren keine natürlich migrierenden Populationen mehr, und die Weitergabe von Zuginformationen ist dadurch erloschen.
Vor 400 Jahren wurde der Waldrapp in Europa ausgerottet. Heute gibt es wieder eine wilde Population, die in Mitteleuropa brütet. Damit der Bestand stabil bleibt, muss er sich mindestens verdoppeln. Ein wichtiger Beitrag dazu ist, die Brutkolonien im süddeutschen Raum dauerhaft anzusiedeln. Die Waldrappe, die dort wild aufwachsen, lernen von erfahrenen Leitvögeln den Zugweg ins Winterquartier kennen. Das ist die Voraussetzung dafür, dass sie zur Brutzeit zurückkehren (Einführung Deutsche Wildtier Stiftung siehe Link). Hier gibt es auch einen Spenden-Link.
Der Waldrapp ist aus heutiger Sicht der "heilige Ibis der Ägypter", welcher zu Millionen mumifiziert und geopfert wurde (s. Wikipedia Ibisse).
Heute kann man sie am leichtesten im Basler Zoo bewundern oder in den letzten Tagen bei uns in Rickenbach. Ich habe ein exclusives Video vom Start bekommen - extra für euch, siehe Link unten. Leider kamen wir erst gerade aus dem Urlaub zurück... Anscheinend wird gerade die Zug-Route geändert, damit die Vögel nicht mehr über die Alpenfliegen müssen, das ist natürlich nicht ganz unproblematisch. Vielleicht kommen sie jetzt jedes Jahr nach Rickenbach und wir sind Bestandteil der neuen Route?! Ich hoffe der Flugplatz macht das alles kostenlos - das wäre vorbildhaft. Auch waren dieses Jahr unsere "Wanderer" bei der Kolonie am Bodensee zu Besuch.
Direkter Artenschutz ist die Königs-Disziplin des Naturschutzes. Der Naturschutz hat sich in der Vergangenheit auf den direkten Artenschutz konzentriert, da viele Arten direkt durch den Menschen bedroht und verfolgt wurden (Jagd, Fallenstellen oder Wilderei). Eine Tierart zu verlieren ist dramatisch, da die Tierart sich im Rahmen der Evolution über Millionen von Jahren entwickelt haben und wir würden sie für immer verlieren. Das können wir nicht zulassen.
Heute haben wir verstanden, dass das heutzutage nicht mehr ausreicht. Wir haben die Biodiversitäts-Dekade der Ökosysteme, d.h. wir versuchen ganze Ökosysteme wieder herzustellen, die der Mensch durch Gier und Habsucht zerstört hat.
Aktuelle Population: 340 (Stand: 2024) Exemplare - dieser Bestand muss sich auf mindestens 400 erhöhen. Projekt läuft mind. bis 2028.
Unten ist noch ein Link zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die das Aussiedlungsprojekt begleiten (hier erkennt man was solch ein Projekt auch an Wissens-Zugewinn bringen kann).
email-Antwort von Helena Wehner
Lieber Herr Engel,
Wir freuen uns sehr über Ihr Interesse an unserem Projekt.
Ob die nächste menschengeführte Migration uns wieder in die Toskana oder nach Andalusien führen wird, steht noch nicht fest. Aus diesem Grund wissen wir auch nicht, ob wir den Flugplatz Hütten-Hotzenwald erneut anfliegen werden. Die Chancen sind dafür aber jedenfalls gegeben.
Auf unseren Campstandorten während der Migration kommen wir selbstverständlich für anfallende Kosten wie Strom, Wasser, Platznutzung auf.
Unsere Entscheidung, die diesjährige Migration nach Andalusien zu fliegen, hängt damit zusammen, dass unsere Vögel nördlich der Alpen immer später starten. Daraus folgend haben sie Schwierigkeiten, den Alpenhauptkamm zu überfliegen, da ihnen gute Wetterbedingungen wie Thermik fehlen und sie vom ersten Schnee überrascht werden können. Aus diesem Grund soll unsere neue Route nach Spanien unserer Population eine Alternative bieten.
Liebe Grüße,
Helena Wehner
Bild zur Meldung: Waldrapp - Foto Helena Wehner